Agatha Christie inspirierte "Whodunit"-Verfilmungen - die zehn kleinen .......
Der Januar stand bei uns, wie bereits erwähnt, cineastisch ganz im Zeichen des „Whodunit“ Genres. Nach der „Glass Onion“ im Dezember kamen weitere Filme im „Whodunit-Stil“ hinzu. Begonnen haben wir mit „Eine Leiche zum Dessert“ aus dem Jahr 1976, im Anschluss haben wir „Geheimnis im blauen Schloss“ (1965) gesehen und einige Zeit später „Das letzte Wochenende“ (1945).
Basis oder Inspiration für all diese Verfilmungen ist ursprünglich Agatha Christies Kriminalroman „Ten little Niggers“ (1939). Zehn Personen, die in der Vergangenheit ein von der Justiz nicht bestraftes, schweres Verbrechen begangen haben, werden auf „Nigger Island“ eingeladen und finden, eine nach der anderen, auf der Cornwall vorgelagerten Insel den Tod. Es geht hier also um Selbstjustiz.
Eine Leiche zum Dessert (1976)
„Eine Leiche zum Dessert“ nimmt eher das ganze Genre auf die Schippe. Statt der Justiz entkommene Verbrecher hat der Gastgeber hier alte Bekannte aus unserer Kindheit und Jugend, wie „Inspektor Columbo“, „Miss Marple“ und „Charlie Chan“ eingeladen um seinen Mord aufzuklären. Die Umsetzung spielt zwar mit den Ideen der Originalstory, aber letztlich geht die Geschichte natürlich nicht tödlich, aber auch nicht besonders logisch aus. Der Film ist nett. Aber den kann man sich meiner Meinung nach im Prinzip sparen.
Geheimnis im blauen Schloss (1965)
Nach dem Vorspann des Films wunderte ich mich tatsächlich sehr über den letztgenannten Titel „Geheimnis im blauen Schloss“ nach dem Agatha Christie Roman „And there where none“. „And there where none“? Diesen Roman kenne ich ja gar nicht. Und ich dachte, ich hätte sämtliche, einschlägige Agatha Christie Romane gelesen. Sofort lief ich zum Bücherschrank und zog meine 1989 Version von „Zehn kleine Negerlein“ heraus. Das musste es sein.
GB-Originaltitel: "Ten little Indians"
Hintergründe zum Titel
Das war es auch. Meine Recherchen ergaben, dass die Verleger in den USA Bezeichnungen wie „Negerlein“ im Titel schon 1939 „schwierig“ fanden. Also wurde die Geschichte von Agatha Christie mit „Und dann gabs keins mehr“, der Schlusszeile der Verse über die „Zehn kleinen Negerlein“, in den USA veröffentlich. Der deutsche Titel wurde übrigens erst 2003 geändert. Von daher also nicht weiter verwunderlich, dass das Buch (1989) in meinem Schrank noch den ursprünglichen, deutschen Titel trägt.
Wer sind die „Zehn kleinen Negerlein“ eigentlich?
Die Geschichte von den „Zehn kleinen Negerlein“ wurde Mitte des 19. Jahrhunderts in den USA aufgeschrieben. Und zwar in Form eines Kinderreims in einem Kinderbuch. Allerdings waren es in der ersten Version Indianer, keine Negerlein. Aber ich nenne sie jetzt einfach mal Junggesellen. Andere haben, wie die Toten Hosen, Texte zur Originalmelodie geschrieben, die von „Zehn kleinen Jägermeistern“ oder auch „Zehn kleine Fixer“ (Georg Danzer) handeln.
Die Gruppe von „kleinen Junggesellen“, so nenne ICH die Helden der Verse aus dem Kinderlied jetzt einfach mal, erleben gemeinsam allerlei. Dabei wird die Gruppe immer kleiner und kleiner, einer nach dem anderen „verschwindet“ aus Faulheit oder Unachtsamkeit und Abenteuerlust aus der Gruppe. Der letzte, der das Junggesellendasein „überlebt“ hat, „verlässt“ die jetzt ja auf einen einzigen zusammen geschrumpfte Gruppe von Junggesellen dann auch und heiratet. Soweit finde ich nichts verwerfliches dabei. Wenn man zu Grunde legt, wovor 1868/69 (USA) bzw. 1885 (D) junge Kerle gewarnt werden sollten. In der Deutschen Version des Kinderbuchs heiratet der „Junggeselle“ schließlich und zeugt eine neue Generation unvorsichtiger, junger Kerle.
Eigentlich, für die damalige Zeit, eine gute Basis für ein Kinderbuch, ähnlich dem von Max und Moritz (1865), die auch nicht gerade zimperlich waren aber am Ende des Buches tatsächlich die gerechte Strafe erhalten. Ich vermute, man hat die „Story von den „Junggesellen“ absichtlich auf einen anderen Kulturkreis (wie Indianer oder Negerlein) verlegt um eine notwendige Distanz zum eigenen Umfeld zu schaffen. Ähnlich wie bei Grimms Hänsel und Gretel. Hier kommt die böse Hexe in den Ofen und wird „zu Recht“ verbrannt.
Haben die „Zehn kleinen Negerlein“ einen rassistischen Hintergrund?
Wäre diese - meine - Erklärung die einzige, könnte ich das so stehen lassen. Da aber augenscheinlich – und hier zweifle ich den Text in Wikipedia nicht an – weiße Rassisten in den USA die ursprünglichen Ten Little Injuns schon bald zu Ten Little Niggers umgereimt haben, steckt da wohl einiges mehr dahinter. Die Fassung Ten Little Niggers wurde zum Standardrepertoire der amerikanischen Blackface-Minstrel-Shows, in denen Weiße mit dunkel bemaltem Gesicht Schwarze nachspielten und Ten Little Niggers dann schließlich auch nach Großbritannien brachten, von wo aus sie sich dann in ganz Europa verbreiteten.
Was jetzt? Injuns, Cajuns oder Niggers?
Injuns
Injuns war (und wahrscheinlich ist er es noch), wie Niggers auch, kein besonders wohlmeinender Ausdruck von englischsprachigen US-Immigranten für Indianer bzw. die Ureinwohner Nordamerikas. Er wurde phonetisch ganz ähnlich gebildet wie Cajuns, was auch kein wohlwollender Ausdruck ist.
Cajuns
Kinder, die um 1900 ihr Cajun-Französisch in der Schule sprachen, wurden bestraft, als Hinterwäldler betrachtet und wegen ihres fehlerhaften, harten Englischs ausgelacht und verachtet. Klingt nicht so, als hätte „anders als weiß und anglophon sein“ Spaß gemacht. Und ich befürchte fast, das ist auch heute noch so. Und ehrlich gesagt bestätigt es mich mal wieder in meiner Meinung, die ich bereits 1995 formuliert habe. Nordamerika ist landschaftlich ein beeindruckendes, wunderschönes Land. Ich werde dort aber wohl nicht mehr hinreisen. Die Lebensart und das überzogene, politische Selbstverständnis dort sind nicht meines.
Kann ich bei Agatha Christie Rassismus unterstellen?
Aber kommen wir wieder zu Agatha Christie zurück. Sie wurde 1890 geboren und besaß mit Sicherheit das Kinderbuch über die „Zehn kleinen Junggesellen“. Vermutlich behielt sie sich Story bzw. Plott daraus im Hinterstübchen. Nicht mehr und nicht weniger. Die erste Version ihres darauf basierenden Krimis wurde als Fortsetzungsgeschichte 1939 veröffentlicht. 10 Gäste auf einer einsamen Insel. Alle 10 Gäste sterben nach und nach. Zentraler Punkt ist hier das „Kinderlied“, das in den 10 Zimmern der Gäste gedruckt an der Wand hängt und eine Porzellanscheibe mit 10 kleinen weißen „Negerlein“, von denen eines nach dem anderen von der Scheibe gebrochen wird. Immer dann, wenn einer der Gäste den Tod gefunden hat.
Während in den schriftlichen Veröffentlichungen alle zehn Gäste den Tod finden, bleibt bei den Bühnenfassungen und den Drehbüchern für die Filme ein Pärchen über. Und diesen letzten Twist finde ich an der verfilmten Story eigentlich besonders gut. Bestraft gehören nach der reinen Lehre von Gerechtigkeit schließlich nur die, die wirklich was auf dem Kerbholz haben. Der Mörder hat zwei Personen eingeladen, die trotz all seiner Recherchen doch unschuldig sind. Und deshalb überleben diese dann auch. Und genau das ist dann auch der Grund, warum bei den Verfilmungen ein ganz anderer Titel gewählt werden musste, als „And there where none.“
Aber kommen wir nochmal auf die Filme, die wir gesehen haben.
Geheimnis im blauen Schloss / Ten little Indians (GB 1965)
Das „Geheimnis im blauen Schloss“ sorgt für ein Wiedersehen mit Mario Adorf,
Daliah Lavi und dem
Bond Girl Shirley Eaton. Außer dass sich die Story hier in einem Schloss hoch oben im Zillertal
zuträgt, statt auf einer Cornwall vorgelagerten Insel, bietet sie eigentlich
nichts Besonderes oder gar Neues. Sie hält sich sogar extrem nah an der
Filmversion von 1945.
Der Trailer lässt sich leider nicht einbetten. Hier gehts zu YouTube.
Das letzte Wochenende / And there where none (USA 1945)
Die 1945 gedrehte Version ist definitiv die beste der drei Varianten, die wir angeschaut haben. Sie spielt auf einer Insel und auch hier bleiben am Ende zwei Unschuldige verschont. Schauspielerisch perfekt und auf den Punkt. Diese Version hat uns wirklich sehr gut gefallen. Auch wenn der Titel nicht passt, denn es bleiben letztlich ja zwei Personen am Leben. Sehr verwirrend die ganze Geschichte. Also zumindest, die Geschichte die Titel der Filme betrifft. Von Büchern und Bühnenstücken will ich erst gar nicht anfangen. (Bei YouTube kann man übrigens den ganzen Film gucken.)
Beide Filme wurden im Abstand von 20 Jahren gedreht. Der eine in den USA, der andere in GB. Die Porzellanfiguren, die bei beiden Filmen nach jedem Todesfall verschwinden, sind übrigens immer Indianer, keiner Negerlein, keine Junggesellen, keine Jägermeister und auch keine Fixer. Sie referenzieren also beide auf den Original-Kinderreim über die „zehn kleinen Indianer“ aus dem Jahr 1868 und nicht auf das Buch von Agatha Christie, die sich ebenfalls davon hat inspirieren lassen.
Wusstet Ihr um die Geschichte des Kinderreims? Kanntet Ihr das davon inspirierte Buch und die abgeleiteten Whodunit Filme?
Kommt mir gut in den Freitag, lasst es Euch gut gehen und bleibts ma gsund
Sunny
Nein, ich kannte die Geschichte des Kinderreims nicht. Hier wird nur im Radio das Lied der Hosen gespielt. Auch das Buch und die Filme kenne ich nicht. Interessant, wenn es aus einem Buch so viele Filme entstehen. Das kenne ich sonst nur von Pilcher. Ja, ich habe die früher gelesen und die Filme geliebt :).
AntwortenLöschen"Nordamerika ist landschaftlich ein beeindruckendes, wunderschönes Land. Ich werde dort aber wohl nicht mehr hinreisen. Die Lebensart und das überzogene, politische Selbstverständnis dort sind nicht meines."
Ersteres kann ich nur von Bildern bestätigen, letzteres gilt für mich auch. Ich habe nicht vor, dieses landschaftlich beeindruckende Land zu besuchen aus genau dem Grund. Dorthin werde ich mein Geld nicht tragen. Und mir auch das Einreiseprocedere nicht antun.
Einen schönen Freitag wünscht Dir
Ines
Okeee. Pilcher. Ist jetzt an sich so nicht mein Lesestoff. Bin absolut kein Fan von Englischen Liebesromanen. Eigentlich gar nicht von Liebesromanen.
LöschenDafür habe ich schon immer gerne Detektivgeschichten gelesen. Tina und Tini, Trixi Belden, Fünf Freunde, Drei Fragezeichen. Die natürlich ganz besonders. Später dann auch Sherlock Holmes und Agatha Christie. Hier vor allem Miss Marple und Hercule Poirot. Aber natürlich die Klassiker, wie "Zehn kleine ....". Die Einreise war 1995 kein Thema. Aber ich sags jetzt mal auf bayrisch "da fäids vom Boa weg". Ich sage nicht, dass hier alles top ist. Aber hier lebe ich nun mal.
BG Sunny
Tina und Tini habe ich geliebt. Die anderen waren mir zu spannend ...
Löschenja - ich kannte den kinderreim - bei einer oma flog noch ein vorkriegs-kinderbuch rum, in dem der drin war..... (auf deutsch, mit "negerlein")
AntwortenLöschenund natürlich kenne ich die agatha christie geschichte - bin schliesslich fan. frau C. war sicherlich nicht rassistisch - man lese "erinnerung an glückliche tage" - autobiografisches aus ihrer zeit auf den ausgrabungsfeldern ihres 2. mannes in syrien.
die filme habe ich noch nicht gesehen - danke für die tips. "leiche zum dessert" stelle ich mir aber allein wegen der darsteller sehenswert vor.....
xxxx
Ich bin sicher, Agatha war keine Rassistin. Sie hat vielmehr die Idee gut gefunden, nach einem "offiziellen Plan" einen nach dem anderen Verschwinden zu lassen. Vermutlich fühlte sich der Mörder/die Mörderin (ich will ja hier nicht spoilern) einfach besser, wenn er auf den Plan eines anderen zurück griff.
LöschenÄhnliches kennt man ja auch von John Marr (Die 8. Posaune, die 11. Plage) Nur wird da kein Kinderreim zitiert, sondern Bibelstellen.
Schauspielerisch gut und witzig in der Handlung war "die Leiche zum Dessert" schon. Aber sie hatte eben mit dem A.C. Roman so wenig zu tun, wie mit dem Kinderreim.
BG Sunny
Die Geschichte kannte ich tatsächlich nicht. Ich finde manche frühere Verfilmungen schon beeindruckend. Könnte man heute mit dem Hintergrundwissen so nicht mehr machen.
AntwortenLöschenLiebe Grüße Sabine
Ich kenne nur die Leiche zum Dessert. Die Geschichte des Kinderreims hab ich noch nie gehört. Ich kenne nur aus meiner Kindheit das Lied: Zehn kleine Negerlein. Und natürlich die Jägermeister. Alles andere ist mir wirklich neu. Auch dass die Filme davon inspiriert wurden. Ich habe sie noch nicht gesehen.
AntwortenLöschenSehr interessant. dass es den Reim schon seit 1868 gibt. Wieder etwas gelernt.
Nostalgisch wurden wir diese Woche auch, wir haben alle 3 Teile von Fantomas geschaut. 🤭
Liebe Grüße Tina
Das freut mich. Vielleicht schaffe ich es so mal auf Deine "gelernt Liste". :-)
LöschenFantomas ist auch cool. Den gucken wir auch gerne. Ist noch gar nicht so lange her, dass wir die hintereinander gesehen haben. Ich habe das so mit 12/13 geliebt und mich gefreut wie ein Schnitzel, wenn es im TV kam. BG Sunny
Ja, darüber hab ich mir auch schon Gedanken gemacht. Ich denke nicht, dass Agatha Christie rassistischer war als andere ihrer Generation, sie waren es ja mehr oder weniger alle irgendwie "unbewusst". Das ganze Menschenbild war ein anderes, man glaubt noch daran, die so genannte "Zivilisation" sei der Glücksbringer und die "armen Negerkinder" müssten gerettet werden - s. Missionare etc. Natürlich bin ich froh, dass wir immer mehr an Rassismus/Sexismus/Diskriminierung aufdecken, gar keine Frage! Ich war vor Jahren mit den Kids mal auf ner Ferienfahrt im ländlichen Franken, da hat die Vermieterin auch gefragt, ob "das arme Negermädel" (ein Mädchen der Gruppe) nicht viele Probleme wegen ihrer Hautfarbe hätte. Sie hat es gar nicht böse gemeint, aber klar darf man sowas zu Recht nicht mehr sagen. Genauso wie "Negerküsse" oder "Mohrenköpfe", wir erinnern uns...
AntwortenLöschenEine Leiche zum Dessert kannte ich bisher noch gar nicht, nur vom Hörensagen. Agatha Christie hab ich gelesen, seit ich etwa 12 bin, und alle Romane verschlungen...! Ich mag die heute noch.
Liebe Grüße Maren