[Weekend] Bayreuth #4 - Mein Blick auf Richard Wagner
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Richard Wagners (1813 – 1883) Werk und seine Frauen
Morgen, am 22. Mai, ist Richard Wagners Geburtstag. Und so bin ich froh Euch das Ergebnis meiner Recherchen pünktlich zu diesem Anlass lesen zu lassen. Mir macht es immer Spaß bereits erlebtes im Nachgang zu dokumentieren. Rudis und mein Ausflug nach Bayreuth ist ja jetzt schon bald ein Jahr her. Da war es nun wirklich Zeit, dass dieser Beitrag endlich geschrieben wurde.
Ich glaube Wagner zählt zu Recht zu den innovativsten Komponisten seiner Zeit. Er war wohl ein rechthaberischer und egoistischer Mensch. Eine ziemliche Dramaqueen. Mit häufigen Affären und ständiger Geldnot. Immer auf der Suche nach Bestätigung für seine Genialität und dem Wunsch nach Huldigung. Versteht mich nicht falsch, er war künstlerisch sicher brillant, aber bestimmt auch unerträglich anstrengend.
Schauen wir zuerst Mal auf Wagners Lebenslauf
Wagner heiratete seine erste Frau mit 23 Jahren (1836). Minna war 4 Jahre älter als Wagner. Eine Schauspielerin. Attraktiv, klug, kultiviert und erfolgreich. Aber vermutlich auch ziemlich genervt von Wagners ewiger Geldnot. Seine politischen Aktivitäten und seine permanente Untreue belastete die Ehe verständlicherweise stark. Sie führten wohl etwas, was man heute eine On-Off-Beziehung nennt. 1840 traf Wagner in Paris auf Heinrich Heine und Franz Liszt.
Der junge Wagner war zunächst überzeugter Demokrat. Dazu emotional, impulsiv und radikal. Nach der Märzrevolution 1948 verabschiedete die Nationalversammlung 1949 in der Frankfurter Paulskirche die Verfassung für einen einheitlichen Nationalstaat. Wagner unterstützte die Idee dieser Republik, schrieb revolutionäre Texte, hetzte gegen Monarchen und Reiche. Er war Sozialist und hatte auch Kontakte zu Anarchisten.
Wer es nicht mehr ganz im Kopf hat, die Paulskirchenversammlung von 1848 war das erste gesamtdeutsche Parlament, mit 585 frei gewählten Abgeordneten. Sie schrieb eine fortschrittliche Verfassung mit Grundrechten und einer Gewaltenteilung, wie sie auch heute in unserem Grundgesetz verankert ist. Diese demokratisch verabschiedete Verfassung war ein wichtiger Meilenstein für den demokratischen Gedanken in Deutschland.
Allerdings wurde diese Verfassung von den regierenden Fürsten ignoriert und Aufstände wurden rigoros niedergeschlagen. Auch das Königreich Sachsen, wo Wagner lebte, weigerte sich, die neue Verfassung anzuerkennen. Deshalb versuchten Revolutionäre die Umsetzung der Paulskirchenverfassung mit Gewalt zu erzwingen und am 3. Mai 1849 – kurz vor Wagners 35. Geburtstag - begann in Dresden ein bewaffneter Aufstand gegen die sächsische Monarchie.
Richard Wagner, damals Hofkapellmeister in Dresden, unterstützte den Aufstand ideologisch und organisatorisch. Nach dem Dresdner Maiaufstand floh Wagner aus Sachsen, um nicht hingerichtet zu werden. Es lag ein Haftbefehl wegen Hochverrats gegen ihn vor. Er reiste nach Zürich womit sein offizielles Exil begann.
Nach meiner Auffassung braucht Demokratie Geduld, Bescheidenheit und die Bereitschaft Unrecht haben zu dürfen. Dazu war Wagner aber so ziemlich sicher gar nicht bereit. Wagner sah sich vermutlich selbst als einen Auserwählten, nicht als gleichberechtigten Bürger unter vielen. Er zog sich über die Jahre ins spirituelle, symbolische zurück und wurde im Laufe seines Lebens vom Bürgerrechtler zum Mystiker. Nicht gläubig im kirchlichen Sinne, aber tief religiös im Sinn von Erlösung, Mitleid, Verzicht und Mythos.
Ich glaube, für Wagner war es tatsächlich schlimmer, seine Büchersammlung in Dresden zurück lassen zu müssen, als seine Frau. Schließlich war diese Bibliothek die Basis für sein gesamtes, zukünftiges, musikalisches Werk. Sein Freund Uhlig verwaltete Wagners Eigentum in Dresden und kümmerte sich um Manuskripte, Notizen und vor allem die Bücher, die Wagner dort gelassen hatte. Uhlig versuchte einiges davon durch Bekannte zu Wagner ins Exil bringen zu lassen.
Aber trotz aller Sorgfalt ging ein Teil der Bibliothek verloren oder wurde über die Jahre verstreut. Einige Bücher tauchten später wieder auf oder wurden von Wagner neu angeschafft, besonders während seiner Zeit in Zürich und später in Bayreuth. Die rekonstruierte, und heute ausgestellte Bibliothek im Haus Wahnfried vereint Originale, Neuausgaben und Widmungsbände aus späterer Zeit.
Wie ging es mit Wagner und seinem Werk aber weiter?
Von 1849–1858 lebte Wagner in Zürich. Er arbeitete an seinem theoretischen Werk und begann „den Ring“ zu entwerfen. Heute würde man wohl sagen, er arbeitete am Konzept.
Von 1858–1864 war Wagner europaweit unterwegs und arbeitete an „Tristan“ und den „Meistersingern“. Gegen Ende dieser Phase begann er ein Verhältnis mit Cosima, der Frau seines Freundes und Bewunderers Hans von Bülow bzw. der Tochter des großen Franz Liszt.
In den Jahren 1864/1865 lebte Wagner mit Cosima in der München Brienner Straße und wurde von König Ludwig II. gefördert. In München wurde dann auch „Tristan“ uraufgeführt.
1866 zog Wagner mit Cosima an den Vierwaldstättersee. Hier schrieb er weiter an den „Meistersingern von Nürnberg“ und an „Siegfried“. Erst 1870 wurde die Ehe Cosimas mit Hans von Bülow offiziell geschieden. Im selben Jahr heirateten Cosima und Richard Wagner. Zu diesem Zeitpunkt hatten die beiden schon drei gemeinsame Kinder. Wagners erste Frau Minna war 1866 verstorben, er war damals also bereits Witwer.
In den nächsten Jahren folgten die Uraufführungen von „Die Meistersinger von Nürnberg“ (1868), „Das Rheingold“ (1869) und zuletzt „Die Walküre“ (1870). Jeweils in München.
Ab 1872 lebten Wagner und Cosima in Bayreuth. Der in den Jahren zuvor geplante Festspielhausbau, die Premiere des fertiggestellten „Rings“ und der Bau des Hauses Wahnfried wurden damals in Angriff genommen.
1876 fand die Uraufführung von „Siegfried“ und „Götterdämmerung“ im Rahmen der Einweihung des Festspielhauses statt. 1876 wurde zum ersten Mal der gesamte, vierteilige „Ring der Nibelungen“ live gezeigt. Das bedeutet ca. 15–16 Stunden Musik, verteilt auf vier Tage. Von den ersten Skizzen (1848) bis zur Vollendung der Partitur (1874) vergingen über 25 Jahre.
Wagners Gesamtkunstwerk
Warum ich Wagners Werk wirklich interessant finde, obwohl ich noch keiner Aufführung „auf dem Hügel“ beigewohnt habe, liegt vermutlich daran, dass ich Kohärenz schätze. Vor allem bei Kinofilmen, aber natürlich auch bei klassischen Bühnenwerken. Die Inszenierung muss zur Musik, zur Geschichte, zum Geist des Werkes passen. Und das ist genau das, was Wagner auch wollte. Das Gesamtkunstwerk sollte nicht beliebig – sondern bedeutungsvoll sein.
Wie Ihr alle wisst, stehe ich total auf Herr der Ringe oder Star Wars. Ich ordne Wagners Werk hier mit ein. Also im Hinblick auf Herangehensweise und Konzeption. Auch diese Filme sind Gesamtkunstwerke. Musik, Bildsprache, Mythologie, Beleuchtung und Kulissen spielen hier mit der Musik perfekt zusammen. Was heute mit CGI geschaffen werden kann, ist natürlich mit den technischen Möglichkeiten von vor 150 Jahren nicht zu vergleichen. Umso erstaunlicher finde ich es, wie Wagner versucht hat Drachen auf die Bühne zu bringen und fliegen zu lassen. Es gab Licht, und Rauch und Feuer. Dazu einen Orchestergraben. Das ist auch etwas, was es vor Wagner nicht gab. Wagner nutzte ein riesiges Orchester um seine Soundeffekte zu erzeugen. Er versteckte das Orchester aber geschickt in einem Graben vor der Bühne, damit der Blick auf die Bühne nicht verstellt wurde.
Herr der Ringe und Star Wars zeigen wie Wagners Werke eine innere Logik, Symbole und Archetypen. Das Schicksal der Guten und eines Helden sind hier immer die zentralen Punkte. Ein in sich geschlossener Kosmos, der nicht nur unterhält, sondern mitreißt, beschäftigt und natürlich auch die Erwartungen prägt. Von guten Filmen bzw. Filmreihen erwarte ich eine übergeordnete Struktur und einen bis ins Detail geplanten Spannungsbogen. Ich schätze es, wenn der Filmemacher oder Autor sich Sprachen, Völker und Zeitalter ausgedacht hat. Ich in eine mythisch-symbolische Welt mit Helden und Göttern eintauchen kann. Die Helden müssen Prüfungen bestehen und sich letztlich immer zwischen Macht und Moral entscheiden.
Wagner war nicht nur Komponist, sondern auch Drehbuchautor, Regisseur, Bühnenbildner, Kostüm- und Lichtdesigner in einem. Die Zuschauer sollten nicht nur hören, sondern sehen, riechen, spüren und vor allem erschüttert sein. Wagner war einer der ersten, der Musik, Text, Bühnenbild und Dramaturgie zu einem Gesamtkunstwerk verwob – mit epischer Breite, symbolischer Tiefe und vorausschauender Planung.
Diese Idee beeinflusste später nicht nur Musik und Theater, sondern auch das moderne Kino bzw. die Filmmusik-Tradition der Leitmotive. Man denke nur an den Komponisten John Williams, der u.a. die Musik zu Star Wars, Indiana Jones, Harry Potter, der Weiße Hai, ET oder Schindlers Liste schrieb.
Wagners Bibliothek - Inspirationsquelle für Wagners Werke
Wagners Bibliothek bestand z.B. aus nordischer und germanischer Mythologie, wie Edda und die Nibelungensage. Die klassische Tragödienstruktur der griechischen Antike und klassischen Mythologie haben z.B. „Tristan und Isolde“ und „Die Meistersinger“ beeinflusst. Philosophie und Nihilismus prägten „Tristan und Isolde“ und „Parsifal“. Dazu kamen christliche und mystische Literatur, die Bibel und mittelalterliche Legenden.
Aber es finden sich auch politische Schriften und zeitgenössische Literatur (z.B. von Heinrich Heine, Goethe, Schiller) in Wagners Bibliothek. Des Weiteren Werke zu Musiktheorie, Ästhetik, Sprachentwicklung (z. B. Humboldt) und Studien zu Theater, Kunstgeschichte, Religionen und Naturwissenschaften.
An seinem Lebensende umfasste die Bibliothek Wagners mehrere tausend Bände. Heute befindet sich ein Großteil davon in der Richard-Wagner-Stiftung in Bayreuth, teils erhalten im Original, teils rekonstruiert.
Liszt, Chopin und Wagner
Es ist nicht weiter verwunderlich, dass sich direkt neben dem Komplex des Wagner-Museums in Bayreuth ein Liszt Museum findet, das auch einen Schwerpunkt auf Chopin legt. Chopin, Liszt und Wagner strebten alle drei danach, Musik als Ausdruck innerer Seelenzustände zu gestalten, indem sie traditionelle Formen aufbrachen und Klang als emotionales und dramaturgisches Erlebnis ins Zentrum rückten.
Liszt, Chopin und Wagner haben das musikalische Handwerk im 19. Jahrhundert wirklich revolutioniert, jeder auf seine Weise. Chopin mit einem lyrischen Monolog auf dem Klavier. Liszt schrieb Musik als „Erzählung“ ohne Worte. Wagner sah Musik als dramatischen, symbolischen und sinnlichen Fluss. Seine tiefsinnigen Werke kann man als Vorläufer der heutigen Filmmusik sehen. Alle drei bereiteten den Weg zur späteren Auflösung der Tonalität.
Liszt war anfänglich Wagners Förderer, dann sein Schwiegervater und später selbst stark von Wagners Musikästhetik beeinflusst. Liszt bewunderte Chopins Spiel offen und enthusiastisch, umgekehrt war Chopin eher schüchtern und zurückhaltend. Wagner verehrte Chopin, aber persönlich getroffen haben sie sich vermutlich nie.
Für Wagner waren Chopins Préludes lt. Überlieferung „die Offenbarung einer ganz neuen Welt“. Das klingt ungewöhnlich für jemanden, der selbst ein ganzheitliches, musikalisches Universum erschaffen wollte. Wagner himself spielte Chopin lt. Cosima sogar auf dem Klavier. Damit war Chopin einer der wenigen, wenn nicht sogar der einzige Komponist, dem diese Ehre zu Teil wurde. Wagner spielte nämlich vorzugsweise sein eigenes Material.
Die Rolle Cosimas
Cosima war nicht einfach nur „die Frau an Wagners Seite“. Sie war überaus intelligent, dazu kultiviert und musikalisch gebildet. Sie war verantwortlich für die um Wagner geschaffenen Mythen. Cosima sollte die Erbin seines Geistes und die Lenkerin seines Nachruhms werden. Also führte sie nach seinem Tod, kurz vor seinem 70. Geburtstag in Venedig, die Bayreuther Festspiele ganz nach Wagners Vorbild und mit eiserner Hand weiter.
Fazit
Ihr seht schon. Wagner war eine wirklich interessante Figur. Und sicher auch ein schwieriger Mensch. Aber er hat die Kunstszene mit seinen Visionen sicher voran gebracht.
Ich kann mir zwar nicht vorstellen, dass ich es jemals schaffe mir eine "echte" Wagner Aufführung in Bayreuth anzuschauen. Was ich aber auf alle Fälle gerne nochmal machen werde, ist mir Loriots "Der Ring an einem Abend" z.B. in der Münchner Philharmonie anhören. Ich habe hier schon zwei Aufführungen erleben dürfen und die waren beide wirklich toll. (2015 und 2019)„Wagners Werk in einer Fassung für Eilige, Ungeduldige und Anfänger“ trifft es wirklich gut. Oder auch sein Kommentar „Wagners Helden sind nicht lebensmüde. Sie leben nur nicht gern.“
Ihr wollt noch mehr über Bayreuth lesen. Unten verlinke ich Euch die ersten drei Beiträge.
Kommt mir gut durch den Mittwoch, lasst es Euch gut gehen und bleibts ma gsund
Sunny
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